BMBF: Weniger als 2.000 € pro ALS-Patient für die Forschung
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Erstellt: Montag, 25. Januar 2016 19:02
Nachdem wir im März 2015 über den Förderstopp beim ALS-Forschungsverbund Mnd-Net berichtet hatten war die Reaktion überwältigend. Eine Petition für mehr Forschungsförderung fand mehr als 18.000 Unterstützer und viele Menschen – auch Politiker - schrieben Briefe an das zuständige Ministerium BMBF. Sie erhielten Antworten, in denen jeglicher Handlungsbedarf bestritten wurde: „Das BMBF fördert Forschungsprojekte zur ALS mit Mitteln in Höhe von insgesamt 14,5 Millionen Euro“. Haben wir falschen Alarm ausgelöst? Sind die Unterstützer der Petition einem Missverständnis aufgesessen?
Die Zahl 14,5 Mio. war uns neu, weshalb wir nachfragten und um eine Auflistung der Projekte baten. Die Antwort kam Mitte Dezember. Aus dem Schreiben geht hervor, wie die Zahl 14,5 Mio. € zustande gekommen ist. Allerdings: bei näherer Betrachtung schmilzt sie dahin wie Vanilleeis in der Sommersonne.
Aufgeführt sind 14 Projekte die derzeit (Stand Dezember 2015) vom BMBF gefördert werden. Der Betrag 14,5 Mio. ergibt sich aus einer Aufsummierung der Gesamtförderhöhe aller Projekte, die sich teilweise über mehrere Jahre hinziehen. Für eine politische Bewertung der Förderung benötigt man allerdings die Summe, die pro Jahr für die ALS-Forschung bereitgestellt wird. Rechnet man die Angaben aus dem BMBF entsprechend um, ergibt sich eine Summe von 4,6 Mio.
Damit nicht genug, denn auch inhaltlich gibt sich das BMBF sehr „großzügig“ bei der Zuordnung „ ALS-Forschung“. Die Entwicklung eines „Messystems zur endoskopischen Untersuchung von Schluckstörungen“? Auch wenn ALS-Patienten teilweise unter Schluckstörungen leiden - ALS-Forschung ist das nicht. Auch ein Projekt zur Entwicklung eines Brain-Computer Interface zählen wir nicht dazu.
Zwei der aufgeführten Projekte haben die Versorgung von ALS-Betroffenen im Visier. Es bleiben zehn Projekte, die tatsächlich mit der Entwicklung einer ALS-Therapie befasst sind. Sie haben zusammen eine jährliche Fördersumme von 3,9 Mio. €. Davon sind ca. 0,5 Mio für die auslaufende Forschungskoordination Mnd-Net. Insgesamt sinkt die Förderung damit zum Jahreswechsel 2016 um mehr als 10%.
Ob man die Versorgungsforschung einbezieht oder nicht: die jährliche Förderung der Bundesregierung für die ALS-Forschung bleibt unterhalb der 4 Millionen Grenze. Ist das angemessen?
Etwa 2.000 Menschen erkranken jährlich in Deutschland an ALS. Das bedeutet: pro Kopf gibt die Bundesregierung einen Betrag von nicht einmal 2.000 € für die Erforschung einer Therapie aus. Das ist viel zu wenig. Unsere Initiative fordert seit Jahren, diesen Betrag auf mindestens 5.000 € pro Kopf zu erhöhen, was einer jährlichen Fördersumme von 10 Mio entsprechen würde (10*10 gegen ALS) .
ALS Forschung ist gleichermaßen notwendig und sinnvoll:
• ALS ist ein nach wie vor unterschätztes Phänomen. Die Bezeichnung „seltene Erkrankung“ verdrängt, dass jedes Jahr in Deutschland etwa 2.000 Menschen an ALS sterben.
• Gegen ALS schützt weder gesunde Lebensweise noch irgendeine andere Form der Prävention. Das Lebensrisiko ALS liegt bei 1:300. Anders gesagt: von den derzeit in Deutschland lebenden Menschen werden mehr als 250.000 an ALS erkranken. Manche in diesem Jahr, andere erst in einigen Jahrzehnten. Wie vielen von ihnen das schwere Schicksal heutiger Betroffener erspart bleibt, hängt allein von den Ergebnissen der Forschung ab.
• Die Chancen für die Entwicklung einer Therapie gegen ALS stehen nicht schlecht. Neue Methoden vor allem im Bereich der Genetik und der Molekularbiologie stützen die Hoffnung, die komplizierten Grundlagen der neurodegenerativen Erkrankungen endlich verstehen und beeinflussen zu können.
• An mehreren Standorten in Deutschland existieren Institute mit langjähriger Erfahrung und internationaler Reputation in der ALS-Forschung. Hier sind Potenziale, die eine stärkere finanzielle Unterstützung sofort umsetzen können.
Es bleibt also dabei: wir brauchen mehr Förderung und ein klares politisches Signal der Bundesregierung zugunsten der ALS-Forschung.
Liste des BMBF vom Dezember 2015

ALS-Forschung beim DZNE: Eine Frage des Standorts
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Erstellt: Samstag, 10. Oktober 2015 15:44
Das Deutsche Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) wurde 2009 von der Bundesregierung gegründet. Es wurde konzipiert als finanziell gut ausgestattetes Institut der Spitzenforschung gegen eines im Kontext steigender Lebenserwartung drängender werdendes Problem. Eine gute Sache, allerdings mit einem Geburtsfehler: die neurodegenerative Erkrankung Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) wurde beim Zuschnitt des Zentrums nicht berücksichtigt.
Das DZNE ist dezentral organisiert und besteht aus neun sog. Satelliten-Standorten mit jeweiligen inhaltlichen Schwerpunkten. Einen Schwerpunkt Amyotrophe Lateralsklerose bzw. Motoneuronerkrankungen sucht man allerdings vergeblich. Zwar gibt es einige ALS-Projekte an anderen Standorten, aber bei weitem nicht in einem Maß, dass der ALS gerecht würde. Dass dies der Leitung des DZNE bewusst war konnte man bei der Ausschreibung eines neuen Standortes im Jahr 2011 erkennen. Dort wurde ALS-Expertise ausdrücklich gefordert. Allerdings sind die Entscheidungsstrukturen in dem Bund/Länder Konstrukt DZNE kompliziert und das zuständige Gremium ignorierte komplett die Vorgabe. Vergeben wurden Standorte an eine Abteilung der Charité (ohne Beteiligung der dortigen ALS-Ambulanz!) und an die Universität Göttingen. ALS-Forschung wie in der Ausschreibung gefordert gibt es an beiden Standorten bis heute nicht.
Einen Fortschritt gab es dennoch: das an der Ulmer Uniklinik angesiedelte ALS-Forschungsinstitut wurde zum „virtuellen Helmholtz Institut“ mit enger Anbindung an das DZNE. Dessen Etat ist mit rund 600.000 € pro Jahr allerding wesentlich geringer als bei einem regulären DZNE Standort. Trotz der geringen Finanzierung hat das von Prof. Ludolph zusammengestellte Team in den letzten Jahren schon mehrmals mit hochkarätigen Veröffentlichungen international für Aufsehen gesorgt. Nicht ohne Grund wurden sowohl Prof. Ludolph wie auch Prof. Weishaupt aus Ulm mit renommierten Preisen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) ausgezeichnet.
Für unsere Initiative ist das DZNE ein Dauerbrenner (wie man hier nachlesen kann). Eine Umwandlung des Ulmer ALS-Forschungszentrums in einen DZNE-Satelliten wäre ein konsequenter und überfälliger Schritt. Gut für die ALS-Forschung, aber auch gut für das DZNE und die gesamte Neurodegenerationsforschung. Weil es wegen der engen Verwandtschaft z.B. zwischen ALS und Alzheimer einfach richtig ist, die Forschung eng zu verzahnen.
Damit liegt die Forderung auf dem Tisch und ist sonnenklar: das DZNE braucht einen Standort mit Schwerpunkt ALS bzw. Motoneuronerkrankung und nach Lage der Dinge ist das Ulmer ALS-Forschungsinstitut in hervorragender Weise geeignet, die Keimzelle für diesen Standort zu bilden. Der Schlüssel für diesen notwendigen Schritt liegt bei der Bundesregierung, konkret bei Forschungsministerin Johanna Wanka.